Hamburg gilt mit über 120 Musikspielstätten, mehr als 20.000 Musikveranstaltungen und jährlich 4 Millionen Clubbesuchern – gemessen an der Einwohneranzahl – als Deutschlands Live-Club-Hauptstadt mit der höchsten Spielstättendichte. Jedoch verzeichnet die Club- und Veranstalterszene in Hamburg als expandierende Metropole zunehmend erschwerte Arbeits- und Rahmenbedingungen. Um die bedeutende Position zu festigen und weiter auszubauen, wirbt das Clubkombinat Hamburg seit dieser Woche mit einer Unterschriftenaktion unter dem Titel #FutureMusicCityHH für neue Anstrengungen. Für einen intensivierten Kulturraumschutz zeigt der Zusammenschluss der Kulturereignisschaffenden Ideen und konkrete Lösungsansätze auf.
Verschiedene Faktoren wie eine bauliche Nachverdichtung, zunehmende Lärmbeschwerden, gewachsene Behördenauflagen und steigende GEMA-Aufwände setzen die Musikspielstättenbetreiber vermehrt unter Druck. Beim gegenwärtigen Immobilienboom gilt es die Bewahrung und Weiterentwicklung von Musikspielstätten als soziale und kulturelle Orte von Seiten der Politik zur Chefsache zu erklären. Im Vergleich mit anderen Metropolen ist Hamburg mit Gründung der Clubstiftung, der Infrastrukturförderung des Live Concert Accounts und dem jährlichen Club Award bislang strukturell gut aufgestellt. Jedoch verhindern diese Maßnahmen nicht, das vermehrt massenkompatible Musikangebote präsentiert werden und neue Musikstile, sowie NachwuchskünstlerInnen, die etwas Neues wagen, immer häufiger keine Bühne finden.
Im Rahmen der Kampagne #FutureMusicCityHH schieben Hamburgs Musikclubs eine öffentliche Debatte an, um dabei zentrale Fragen erörtern. Dabei werden die Bedingungen und Perspektiven von Musikbühnen in den Fokus gerückt. Sind Bühnen für Kreatives und Experimentielles künftig noch zu erschwinglichen Preisen möglich? Wo können heute innovative Trends entstehen, wo darf Neues gewagt werden und was macht eine Metropole lebenswert?
Die Petition ist seit dem 13. Dezember bei OpenPetition online und liegt in den Hamburger Musikclubs aus. Über 50 ErstunterzeichnerInnen aus der Musikszene Hamburgs rufen zur Unterstützung der Kampagne auf. Zudem informiert das Clubkombinat online in einem Blog über Details zu den Ideen und berichtet über aktuelle Entwicklungen. Die Kampagne skizziert sieben Handlungsfelder. Zentraler Ansatz ist der Schutz kultureller Freiräume, indem nicht nur bestehende, sondern auch neue Räume nutzbar gemacht werden. Dafür ist die dauerhafte Einrichtung eines referatsübergreifenden Dialogforums aus Behördernvertretern unterschiedlicher Ressorts angedacht. Durch eine Open Air-Fläche für kollektive Selbstverwaltung könnten wachsende Umsatzlücken im Sommerloch mittels einer langfristigen Überlassung von geeigneten Freiluftveranstaltungsflächen verkürzt und das kulturelle Angebot zugleich vergrößert werden. Eine weitere Forderung ist ein Fonds für Lärmschutz & Grüne Energie in Höhe von 2 Mio. EUR jährlich, der für dringende Sanierungsbedarfe von Musikspielstätten eintritt. Mittels eines Hamburger Kultur(Frei)räume-Katasters sollen Leerstände identifiziert werden und frühzeitig bedrohliche Entwicklungstendenzen erkannt werden. Wünschenswert wären Kostenerleichterungen für Musikclubs als Kleinstkunstveranstalter durch bezahlbare Werbeflächen und eine Abschaffung der Stellplatzabgabe, zumal fast alle Clubgänger die Clubs problemlos mit den ÖPNV besuchen können. Abschließend fordern alle privat geführten Musikclubs eine Aufstockung des jährlichen Live Concert Accounts (LCA) von aktuell 150.000 EUR auf 1 Mio. EUR pro Jahr. Durch einen derartig gefüllten Future Music Fonds sollen zugleich Kleinstkonzerte und experimentelle Veranstaltungen gefördert und ausgeweitet werden.
Den Petitionstext unterstützen die folgenden Personen und Institutionen als ErstunterzeichnerInnen zum Startschuss:
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- Alexander von Rothkirch
- Andras Siebold (Internationales Sommerfestival Kampnagel)
- Andrea Rothaug (RockCity Hamburg e.V. & Bundesverband Popularmusik e.V.)
- Audiolith
- Ben Schadow
- Benedikt Loekes (Warner Music Central Europe)
- Bernd Begemann
- Bernd Dopp (Warner Music Central Europe)
- Blueprint Fanzine
- Bureau B
- Captain Gips
- Catharina Boutari
- Christian Gerlach (Neuland Concerts)
- Click Click Decker
- Clouds Hill Recordings
- Deichkind
- Deine Freunde
- Der Feine Herr Soundso
- Devil Duck Booking
- Django Deluxe
- Enno Bunger
- Fatih Akin
- Frank Otto
- Frank Spilker
- Freies Sender Kombinat (Musikredaktion)
- Grand Hotel Van Cleef
- Gunnar Astrup (Alster Radio)
- Hamburg Konzerte
- Harald Buchheister (Byte FM)
- Helmut Heuer (Légère Recordings)
- Howdy Partner Booking
- Ina Bredehorn
- Jens Michow (BdV)
- Johnny Mauser
- Kai Havaii
- Kettcar
- Kristina Sassenscheidt (Denkmalverein)
- Lars Ingwersen (California Sunset Records)
- Lilo Wanders
- Lotto King Karl
- Madsen
- Mantar
- Marvin Brooks
- Neonschwarz
- Nervling
- Oke Göttlich (finetunes, VUT)
- Olivia Jones
- Palm Boat Music
- Pascal Finkenauer
- Pascal Funke (Funke Media)
- Peter Heppner
- Polina Vita
- Radau
- Rantanplan
- Razors
- Reinher Karl
- Reinhold BECKMANN & BAND
- Ruben Jonas Schnell (Byte FM)
- Samy Deluxe
- Sarajene
- Sasha
- Sebastian Falk (Knack den Krebs Konzerte)
- Sebó
- Sophia Kennedy
- Spandau
- Tapete Records
- Thees Uhlmann
- Thorsten Seif (Buback Tonträger)
- Viktor Hacker
- Vince Bahrdt & Volkan Baydar (Orange Blue)
- Wanderlust Entertainment
Joachim Mischke schreibt im Abendblatt-Kommentar „Ausruhen reicht nicht“ (vom 6./7. Januar 2018) zum Einjährigen der Elbphilharmonie:
„Übersprungsbegeisterung muss das nächste große Ziel sein. Begeisterung für die Museen und für die Theater, aber nicht nur für die großen. Für die kleinen Clubs, die unerschrockenen Anderthalb-Mann-Labels und nicht nur die großen Selbstläufer-Festivals. Für all die sympathischen Irren da draußen, die sich mit Kultur und für Kultur ständig selbst ausbeuten, weil es sie nun mal glücklich macht, wenn sie andere damit glücklich machen, und sei es nur für die Länge eines Stücks, eines Konzerts, mit einem Bild oder einem Buch.“
Diese Zielsetzung wünschen wir uns auch im Zuge der Kampagne zur #FutureMusicCityHH.
Hamburgs vielfältige Club- und Musikszene muss unbedingt erhalten bleiben, denn dieser künstlerische Raum macht Hamburg für mich erst so lebens- und liebenswert. Thore Debor vom Clubkombinat hat Recht, wenn er im Sender DLF Kultur sagt, dass es diesen – ähnlich wie die Natur – zu schützen gilt. Bei beidem dürfen nicht die wirtschaftlichen Aspekte über den Fortbestand entscheiden.