Clubkombinat Hamburg e.V.

Quo Vadis Clubkultur in Hamburg?

Ein Statusbericht im Januar 2024

Anlässlich der Debatte in der Hamburgischen Bürgerschaft am 31. Januar zu mehreren Anträgen für den Erhalt des Molotows skizziert das Clubkombinat die aktuelle Lage und formuliert akute Herausforderungen:

Es ist sehr begrüßenswert, dass sich die Regierungsfraktionen von SPD und GRÜNEN nach der Überwindung der Corona-Pandemie zuletzt weiterhin für den Erhalt und die Unterstützung der Hamburger Clubkultur und der Livemusik-Clubs einsetzten. So konnte die strukturelle Förderung zur Stärkung der Hamburger Clubszene durch den Live Concert Account (Drs. 22/10296), eine erstmalige Bereitstellung von Mitteln für Nachhaltigkeitsthemen im Livemusik-Bereich und die Verbesserung des Schallschutzes der Clubs (Drs. 22/7090) ausgebaut werden. Der Beschluss im August 2023 zur Etablierung eines Runden Tisches „Nachtleben und Nachbarschaft“ soll die Existenz von Musikclubs künftig besser absichern (Drs. 22/12684).

Mit dem jüngsten Antrag der Regierungsfraktionen vom 17. Januar 2024 (Drs. 22/14108) wird der Senat ersucht, für das Molotow einen finalen, angemessenen Standort zu finden.

Mit den Verdrängungsprozessen vom Molotow und der Astra Stube sind aktuell die problematischen Spitzen des Eisbergs erkennbar und im Fokus der Debatte. Es zeichnet sich ab, dass beide Clubs finanzielle Hilfen für Umzüge und die Inbetriebnahme neuer Club-Räume benötigen und bei den Suchen nach langfristigen Standorten Unterstützungen brauchen. Zwischenlösungen sind teuer(er) und wenig erstrebsam.

Die Clublandschaft hat nach der Corona-Pandemie und der Zeitenwende mit zusätzlichen Problemen (Kostensteigerungen und Besucherschwund) zu kämpfen, die die wirtschaftlichen Existenzen von Musikclubs, Veranstalter:innen und Festivals weiter bedrohen. Damit die Biotope im Ökosystem der Musikwirtschaft nicht austrocknen, gilt es parallel neben den akuten Rettungseinsätzen intensiviert ursächliche Problemstellungen anzugehen und kontinuierlich die Rahmenbedingungen für Live-Musik zu verbessern.

Lösungsansätze

Um den weiteren Ausverkauf der Stadt durch Investor:innen Einhalt zu gebieten sind insbesondere im Feld der Stadtentwicklung geeignete Instrumente für Kulturraumschutz auf Landes- und Bezirksebene zu identifizieren und implementieren, die frühzeitige und vorausschauende Planungen beinhalten. Das Clubkombinat fordert dazu u.a.:

  • Verbindlichmachung zur Nutzung des Club-Katasters, z.B. in Verbindung mit einem
  • „Agent of change“-Ansatz, wie zum Beispiel in San Francisco. Dort müssen Projektentwickler:innen, die einen Neubau vorschlagen, an einer Anhörung vor eine Kommission teilnehmen. Bei drohender Kulturverdrängung kann ein Veto-Recht diese Vorhaben stoppen. So könnten auch Kompensationsauflagen für Investor:innen in die Vorbescheidsverfahren integriert werden.
  • Einflussnahme der Behörde für Kultur und Medien auf die Sprinkenhof: Die Finanzbehörde/LIG sollte nicht alleinig über Kulturflächen entscheiden können.
  • Abschaffung des Tanzverbots an Karfreitag in Hamburg.

Im Rot/Grünen-Koalitionsvertrag von 2020 sind zudem einige Punkte vereinbart, die noch auf eine Umsetzung auf Landesebene warten:

  • Die Koalitionspartner setzen sich dafür ein, den Clubs für gemeinschaftliche Aktionen zur finanziellen Abmilderung des jährlichen Sommerlochs eine geeignete Freiluftveranstaltungsfläche zur Verfügung zu stellen.
  • Wir möchten außerdem erreichen, nach dem Beispiel der Hansestadt Bremen auch in Hamburg Free Open Airs kurzfristig, kostenfrei und mit wenig Verwaltungsaufwand angemeldet und durchgeführt werden können.
  • Wir wollen für die Hamburger Clubszene in der Fläche ein HVV-Kombiticket prüfen.
  • Wir werden prüfen, ob ein Kulturkataster nach dem Vorbild des Clubkatasters auf dem Weg zu diesem Ziel ein geeignetes Instrument sein kann.
  • Kultur und Soziales sollen bei der Stadtentwicklung zu einem verbindlichen Teil der Planungen gemacht werden. In allen Stadtentwicklungs- und Neubauvorhaben sollen verbindliche Vereinbarungen über kulturelle und soziale Flächen herbeigeführt werden, an denen geprobt, gespielt und Neues ausprobiert werden kann.

Auch auf Bundesebene sind Reformbedarfe erkennbar. Der Bundesverband LiveKomm hat einen Forderungskatalog mit 15 Handlungsfeldern zur Beförderung kultureller Stadtentwicklung formuliert. Aktuell laufen innerhalb der Bundesregierung Prozesse zur Anpassung der Baunutzungsverordnung und Schallschutz-Verordnungen (TA Lärm). Hierzu liegt ein konstruktiver Vorschlag für eine Kulturschallverordnung (analog zum Sport) vor, der politischen noch nicht näher erörtert wurde. Bis zur parlamentarischen Sommerpause 2024 könnten Bund und Länder wegweisende Reformen umsetzen. Doch die Widerstände – insbesondere aus der Verwaltungsebene – sind enorm. So scheint u.a. die Hamburger Umweltbehörde (BUKEA) die Bestrebungen des Bundes (gemäß Koalitionsvertrag) in Sachen Schallschutz nicht zu unterstützen.

Anna Lafrentz (1. Vorsitzende Clubkombinat) auf der Molotow-Demo am 30.12.23

Analyse und Folgefragen

Zurück zum Molotow als Ausgangspunkt: Es gilt weiterhin die Prozesse zu durchdringen, wie es zu den Ergebnissen der Verdrängung dieses Kulturortes kommen konnte, um dann Konsequenzen auf den verschiedenen Ebenen (Bezirke, Land, Bund) zu ziehen.

Die Antworten des Senats auf die Kleine Anfrage (SKA) der LINKEN beinhaltet erste Hinweise, aus denen weitere Anschlussfragen resultieren:

Nach Senats-Aussage wurde davon ausgegangen, dass das Paloma-Viertel fertig wird, bevor das Molotow am Nobistor vertrieben wird. Diese Annahme stellt sich nun als trauriger Trugschluss heraus.

Interessant wäre demnach zu erfahren, wann genau das Vorhaben im Bauausschuss der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte vorgestellt wurde und ob dabei zustimmungspflichtige Bestandteile enthalten waren, die nicht dem Bebauungsplan entsprechen?

Der SKA zur Folge war auch der Oberbaudirektor im Jahr 2022 beteiligt. Formulierte Herr Höing keinerlei Einwände mit Blick auf die Verdrängung eines Kulturortes? Wenn nein, welche Möglichkeiten für eine Verhinderung bestünden in einem solchen Fall für einen Oberbaudirektor?

Nach den vorliegenden Antworten wurde der Bauantrag für das Nobistor 14 am 15.11.2022 gestellt. Hierzu stellt sich die Anschlussfrage, wie der aktuelle Stand des Genehmigungsverfahrens aussieht und ob noch eine politische Einflussnahme möglich wäre?

Im Rahmen der verbindlichen Bauleitplanung werden in den TÖB-Verfahren (Träger öffentlicher Belange) strukturelle Änderungsbedarfe deutlich. Gemäß § 4 des Baugesetzbuches sind u.a. Landesbehörden in etwaige Bauvorhaben einzuschalten. In Hamburg wird die Behörde für Kultur und Medien (BKM) bislang scheinbar in solchen Verfahren nur in Sachen Denkmalschutz befragt, dessen Amt diesen Anfragen dann aber nicht an die Behördenleitung der BKM zur weiteren Prüfung in entsprechende Fachreferate (z.B. Referat Musik) weiterleitet. Das Verfahren könnte relativ einfach geändert werden, um Belange von Kulturorten einzubringen. Ist der Senat dabei diese Strukturen anzupassen? Wenn ja, zu wann ist mit einer Umstellung zu rechnen?

Scheinbar bestehen bislang (zu) wenig bis keinerlei Rechtsgrundlagen für Auflagen, wenn Investor:innen einen Bauantrag gemäß BauGB stellen, die die Verdrängung eines existierenden Kulturortes vorsehen. Können auf kommunaler Ebene wirklich keinerlei Auflagen auferlegt werden? Hierzu gilt es einiges Fachwissen und ggf. Forschungsbedarf im Rahmen kommunaler Bauplanungspraxis zusammenzutragen. Die Kernfrage dabei lautet: Sind die Städte und Kommunen den Interessen der Investor:innen schutzlos ausgeliefert und bestehen wirklich keinerlei Handhabungen zur Eindämmung dieser Entwicklungen?

Die Häufung von Hotels im Bereich der Reeperbahn sei angeblich nicht bedenklich. Es erscheint daher sehr dringlich, sich künftig über Formen des Milieuschutzes für Kultur zu befassen. Die Bezirksversammlung Mitte hatte einst einen Beschluss für einen Hotelneubau-Stopp gefasst, der im Zuge der Paloma-Planungen aufgehoben wurde. Wieso konnte die Ausdehnung von Hotel-Neubauten nicht (wieder) erfolgreich eingedämmt werden? Was wurde wann hierzu im Detail beschlossen? Warum konnte eine Aufhebung nicht auf das Paloma-Viertel begrenzt werden? Mit Blick auf weitere Hotel-Bauten (Hotel am Beatles-Platz und an der „Heißen Ecke“) verwundert es umso mehr, dass einer bestehenden Bauplanung für einen Musikclub mit einem angeschlossenen Hostel für Künstler:innen in der Silbersackstrasse scheinbar Hürden auferlegt werden, die eine Realisierung bislang verhindern.

In dem Zuge stellt sich auch die Frage, warum die Sitzungen und Dokumente im Bauausschuss nicht-öffentlich sind und wer darüber entscheidet?

Die Antworten des Senats gipfeln in der Aussage, dass die Stadt keine Blacklist für Investor:innen führt. Demnach können Investor:innen relativ folgenlos agieren und dabei frei gegen allgemeine Interessen der Gesellschaft handeln, selbst wenn sie an anderen Stellen zuvor negativ aufgefallen sind (siehe Bsp. Bayerische Hausbau).

Erfreulich schließt die SKA mit der Ankündigung, dass die Prüfung zur Einrichtung eines Kulturkatasters bald abgeschlossen sein soll. Hier stünde die Frage im Raum, welche Zeitachse der Senat dabei verfolgt?

Ermutigende Signale sind auch aus dem Bezirk Altona zu verzeichnen. Aktuell werden in der Bezirksversammlung zwei Anträge (Hafenbahnhof dauerhaft sichern und Perspektiven und Freiräume für Altonaer Musik- und Club-Kultur) eingebracht, die auf intensivierte Befassungen mit Musikclubs und deren Raumbedarfe abzielen.

An dieser Stelle ist noch eine Anmerkung anzubringen: Die Aussagen, dass es scheinbar dazu gehört, dass sich die Musik- und Kulturszene einer Großstadt immer wieder (räumlich) neu erfindet, ist zwar leider zutreffend, jedoch aus Sicht der Betreiber:innen keine erstrebenswerte Situation. Jede/r Clubbetreiber:in wünscht sich räumliche Konstanz und Planungssicherheit, um von der künstlerischen Programmplanung nicht abgelenkt bzw. abgehalten zu werden. Eine Standortaufgabe und Umzüge erfolgen in der Regel aus externen Zwängen, die häufig durch das sehr liberale Gewerbemietrecht resultieren und die wenigsten Clubs es sich leisten können, Inhaber:in der Immobilie bzw. des Grundstücks zu sein.

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