Clubkombinat Hamburg e.V.

Im Club mit … Bernd Begemann

Bernd, kaum ein Künstler hat mehr Shows in Hamburg gespielt als du. Welches deiner Konzerte wirst du nie vergessen?

Bernd Begemann: Mein Open Air Konzert in Planten und Blomen 1995, weil man da sonst nicht spielt. Im Grunde ist aber jedes Konzert ein besonderer Augenblick für mich. Ich spiele auch gerne in Hamburg. Viele Bands empfinden es ja als schwierig, in ihrer Heimatstadt aufzutreten, weil dann Freunde, Familienmitglieder, und die Musikpolizei kommen. Aber Familienmitglieder und die Musikpolizei kommen bei mir sowieso nicht, von daher trete ich sehr gerne in Hamburg auf. Das tolle ist, dass die Leute die Bezüge von Liedern wie „Oh St. Pauli“ der „Unten am Hafen“ hier verstehen. Es ist lebendig, Lieder an dem Ort zu spielen, wo sie hingehören.

In welchem Club hast du als Besucher die meisten Abende verbracht?

Begemann: Im alten Kir, das jetzt leider platt gemacht ist. Da habe ich Bands wie The Jesus and Mary Chain gesehen. Die meisten Gruppen fand ich zwar nicht mal besonders gut, aber es war immer interessant, dahin zu gehen. Ich war aber auch oft in der Markthalle, bei diesen unglaublich guten Festivals, die der Musikjournalist und Labelbetreiber Alfred Heilsberg dort organisiert hat. Die waren immer wie eine Wundertüte. Man kann sagen, dass Bands damals nicht so professionell waren. Sie konnten nicht so tonsicher singen und die Schlagzeuger waren etwas holpriger – aber dafür hatten die Musiker damals einen Plan, eine Vision oder eine Weltsicht, die sie angeboten haben. Das hat es sehr interessant gemacht, in den Achtzigern und frühen Neunziger auf Konzerte gehen – und das fehlt mir heute oft.

Wo sitzt du denn heute gerne am Tresen?

Begemann: Sitzen ist die richtige Wortwahl. Ich bin ein moppeliger 53-Jähriger und gucke Konzerte tatsächlich gerne im sitzen von der Bar aus (lacht). Das Bermudadreieck um die Astra Stube herum finde ich ja toll. An einem Freitag oder Samstag kommt da aus fünf verschiedenen Clubs Live Musik und die Schlangen gehen bis auf die Straße. So stelle ich mir das Latin Quarter von New Orleans vor: Von überall kommt Musik. Ich finde ja sowieso, es gibt nichts tolleres, als auf ein Konzert zu gehen und sich verzaubern zu lassen.

Warum?

Begemann: Live Musik zu erleben ist für mich einfach die höchste Form von Kultur. Meine Kulturreihenfolge wäre Musik, Kino, ein bisschen dahinter Belletristik und noch mal ein ganzes Stück weiter unten Theater. Ich werde oft gefragt, ob ich nicht mal einen Roman schreiben will, aber ich finde das ist etwas, das man macht, wenn man nicht mehr singen kann. Wenn man alt und an das Haus gebunden ist. So wie Casanova an Schloss Dux oder Theodor Fontane, als er zu alt war, um weiterhin Reportagen zu schreiben. Ein junger Mensch sollte singen oder Filme drehen!

Wie würdest du denn insgesamt die Hamburger Clublandschaft beschreiben?

Begemann: Sie ist vielseitig, aber auch bedrängt, denn immer wieder werden Clubs platt gemacht. Das hat zwar noch keine Münchener Ausmaße angenommen, aber auch bei uns ist es schon öfter passiert. Das beste Beispiel ist das Onkel Pö, einst einer der wichtigsten europäischen Musikclubs. Als das Onkel Pö vorbei war, war auch Eppendorf vorbei. Für Musikliebhaber wie mich ist das einfach traurig. Und wenn das auf dem Kiez passieren sollte, wenn es dort nur noch Systemgastronomie, Musicaltouristen und Schlagermoves gibt, dann haben wir den Salat. Denn Clubs sind die kulturelle grüne Lunge einer Stadt. Dort findet die wahre Kultur statt.

Wenn du Hamburgs Kultursenator wärst, was wäre deine erste Amtshandlung?

Begemann: Ich würde mehr Wert auf Gegenwartskultur legen. Die Elbphilharmonie zum Beispiel wird ein Museum sein. Klar, es ist wichtig, dass wir Kontakt zur Musik haben, die vor 200 Jahren geschrieben wurden, aber Clubs sind das Experimentierlabor der Gegenwart. Und der Grund, warum ein begabter, junger Mensch aus dem Schwarzwald nach Hamburg zu ziehen, statt nach Berlin, liegt nicht an John Neumeier und Ballett oder an dem Opernhaus. Er denkt sich ‚hey, ich könnte nach Hamburg gehen und im Pudel durchfeiern, oder in den Mojo Club gehen.’ Er will Teil dieser vibrierenden Szene sein, Teil dieses wilden, interaktiven Nachtlebens. Deswegen würde ich genau die beschützen – durch Steuererleichterungen oder Förderungen.

Wenn du die freie Wahl hättest – welchen Künstler würdest du gerne mal nach Hamburg holen und in welchen Club?

Begemann: Ich würde lieber selber spielen, tut mir leid! (Lacht) Auf der Bühne stehen ist für mich einfach eine Freude. Etwas anderes wäre es, wenn du mich nach Zeitreise-Traumkonzerten fragen würdest. Ich hätte gerne Velvet Underground im Jahr 1967 in Boston sehen, und das Sex Pistols Konzert im The Screen On The Green in London 1976. Bo Diddley 1959 auf dem Höhepunkt seiner Fähigkeiten, oder Fats Domino bei einem Konzert, wo er die Rassen-trennenden Barrieren einfach hat entfernen lassen.

Hast du noch ein letztes Wort?

Begemann: Live Musik ist Leben, also geht auf Konzerte, macht mit, genießt es und lebt.


ZUR PERSON

Bernd Begemann wurde am 1. November 1962 in Bad Salzuflen geboren und gilt als Mitbegründer der „Hamburger Schule“. Schon während der Schulzeit machte er Musik, erste Erfolge hatte er 1987 mit seiner Band Die Antwort. Nach deren Auflösung begann er als One-Man-Show durch die deutschen Clubs zu touren. Mittlerweile hat er mehr als 300 Songs und 20 Alben aufgenommen. Gemeinsam mit seinem Bassisten Ben Shadow und dem Filmemacher Kay Otto veröffentlicht er in unregelmäßigen Abständen den Film-Podcast „Flimmerfreunde“.