Clubkombinat Hamburg e.V.

Im Club mit … Die Heiterkeit

Stella, eure Musik wird immer wieder als Gegenentwurf zur männlichen Rockmusik bezeichnet. Empfindest du das so?

Stella Sommer: Ich habe mich zu wenig mit männlicher Rockmusik auseinander gesetzt, um bewusst einen Gegenentwurf zu machen. Aber es stimmt natürlich, dass deutlich weniger Frauen als Männer Musik machen. Von daher wäre es schlimm, wenn es kein Gegenentwurf wäre und man einfach das kopieren würde, was irgendwelche Männer in Rockbands machen.

Auch in der Hamburger Musiklandschaft gibt es relativ wenige Frauen. Warum ist das so und was sollte sich ändern?

Sommer: Das ist halt schwierig. Letztes Jahr wurde dem „Müssen Alle Mit“ Festival ein Vorwurf gemacht, weil keine Frauen im Line Up waren. Aber es spielten ja auch nur fünf Bands und die Frage ist dann immer: Wo fängt Sexismus an? Wenn man eine Quotenfrau bucht? Es wird oft so dargelegt, als würden Männer Frauen vom Musikmachen verdrängen, aber aus meiner Erfahrung ist es so, dass gerade Bands eher ein Männerding sind, auf das viele Frauen längerfristig gar keinen Bock haben. Vielleicht auch, weil die Vorbilder fehlen. Also wo fängt man an, im Musikunterricht?

Die Geschichte von Die Heiterkeit begann der Legende nach in einer Hamburger Bar: Der Mutter.

Stella Sommer: Das stimmt. Ich wohne dort gleich um die Ecke und nach Konzerten landet man halt meistens in der Mutter. Eines Abends kam ich mit unserer ersten Schlagzeugerin Stefanie ins Gespräch. Sie erzählte, dass sie Lust hätte mal wieder Musik zu machen und immer schon mal Schlagzeug spielen wollte. Auch ich wollte zu dem Zeitpunkt wieder aktiver Musik machen, also haben wir uns sofort im Proberaum verabredet.

Du kommst ursprünglich aus St. Peter Ording. Kannst du dich noch an deinen ersten Club- oder Konzertbesuch in Hamburg erinnern?

Sommer: Ich bin von St. Peter Ording aus schon oft für Konzerte nach Hamburg gefahren, weil es die nächste größere Stadt war. Ich war auf so vielen kleinen Konzerten, dass ich gar nicht mehr weiß, welches das erste war. Sonic Youth habe ich irgendwann mal gesehen, aber frag mich nicht, wann und wo.

Welches eurer eigenen Konzerte wirst du nie vergessen?

Sommer: Das allererste Konzert im Turmzimmer vom Uebel & Gefährlich. Wir sind vorher extra mit einer befreundeten Band auf Tour gefahren, weil wir schon geahnt haben, dass Hamburg noch mal eine ganz andere Mutprobe wird und dort die Muckerpolizei vorbei kommt. Ich war noch nie in meinem Leben so aufgeregt wie an dem Abend, das war echt krass.

Und wie lief’s?

Sommer: Es war furchtbar! (lacht) Überhaupt waren in den ersten zwei Jahren fast alle unsere Konzerte in Hamburg und Berlin furchtbar. Man muss sich ja erst mal dran gewöhnen, wie man sich auf der Bühne verhält. Mittlerweile sind wir zum Glück perfekt eingespielt, auch in der neuen Besetzung. Das ist wie eine gut geölte Maschine, die einfach funktioniert.

Mit welchem Hamburger Laden verbindest du die meisten Erinnerungen?

Sommer: Das Uebel & Gefährlich ist für mich immer ein bisschen wie nach Hause kommen. Wir haben dort nicht nur oft gespielt, sondern Stefanie arbeitet ja dort –teilweise haben wir dort geprobt, Band-Fotos gemacht und sogar unser Equipment gelagert, wenn wir keine Lust hatten, es in unseren Proberaum im 5. Stock zu schleppen. Wenn ich da rein komme, habe ich sofort ein heimeliges Gefühl. Eine zeitlang bin ich aber auch oft ins Golem gegangen.

Wo findet man dich heute?

Sommer: Ich gehe generell weniger los und wenn dann eher in Bars. Unser neuer Schlagzeuger Philipp ist allerdings exzessiver Ausgeher und schleppt mich manchmal mit auf irgendwelche Techno-Partys. Neulich waren wir im PAL, ansonsten gehen wir ab und zu ins Moloch. Das sind so Druffi-Läden, wo die Partys das ganze Wochenende gehen.

Was macht einen guten Club aus?

Sommer: Die Raum-Atmosphäre. Wir haben ein paar Mal im Goldenen Salon gespielt – ich mag die Fensterfront, durch die man auf den Hafen guckt. Die Prinzenbar ist auch sehr schön. Wichtig sind außerdem die Stimmung und die Leute. Ich habe meistens keine Lust, mich fest zu verabreden, sondern gehe lieber alleine los und gucke, wen ich treffe. Im Golem und der Mutter ist eigentlich immer jemand, den ich kenne. Ein interessanter Mix an Leuten.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft insgesamt bezeichnen?

Sommer: In Berlin gibt es wahrscheinlich noch mehr, was man an Raves mitnehmen kann, aber ich denke schon, dass man hier jeden Tag etwas machen kann, wenn man möchte. Was ich in Hamburg gut finde: Dass sich Läden wie der Pudel so lange halten können. Dadurch, dass die Betreiber nicht stillstehen, sondern sich immer weiter entwickeln, verlieren sie nie an Relevanz. Auch das Molotow, das in der neuen Location so nahtlos weitergemacht hat. Da merkt man: Es liegt nicht bloß am Laden, sondern letztlich am Spirit und der Willenskraft.

Mal angenommen du könntest in der Hamburger Kulturpolitik ein Wörtchen mitreden, was würdest du gerne ändern?

Sommer: Ich würde die Läden mehr bezuschussen, damit sie in ihrer Programmauswahl freier sind und keine Veranstaltungen machen müssen, auf die sie eigentlich keinen Bock haben. Und ich würde Orte, die nicht unbedingt darauf ausgelegt sind, zu Konzertorten umfunktionieren – damit Livemusik auch mal an anderen Orten stattfindet und man die Schranken von Hochkultur und Subkultur etwas öffnet.

Dein Traumkonzert – wo würdest du es organisieren und wer würde spielen?

Sommer: Leonard Cohen wollte ich immer schon mal sehen, aber das geht ja nun leider nicht mehr. Ich würde auf jeden Fall jemanden buchen, den ich noch nie gesehen habe, ansonsten müsste ich ihn ja nicht holen. Vielleicht Nick Cave. Und zwar in einer Kirche. Dem Michel!

So lange das noch in Arbeit ist– bei welchem Konzert würdest du im Februar gerne auf der Gästeliste stehen?

Sommer: Joachim Witt am 3. Februar im Grünspan würde ich mir ansehen. Ich kenne nur ein paar Songs von ihm, die ich allerdings ganz interessant finde. Keine Ahnung, was mich da erwartet. Dann The Notwist am 14. Februar in der Großen Freiheit. Ich habe die noch nie verstanden– aber vielleicht ja danach. Und aus Interesse vielleicht noch Kreator am 4. Februar im Mehr Theater.

Dein letztes Wort?

Sommer: Geht weiter auf Konzerte! Ansonsten gibt es nämlich bald keine mehr.


ZUR BAND

Im Jahr 2010 tauchte in der Hamburger Musikszene plötzlich ein skeptischer Smiley mit geradem Strich als Mund auf. Er entpuppte sich als Logo der Band Die Heiterkeit, die mit ihrem stoischen Indieschrammelrock schnell für eine ganze Menge Aufregung und sogar einen kleinen Hype sorgte. Das Debütalbum „Herz aus Gold“ erschien 2012, der von Moses Schneider produzierte Nachfolger „Monterey“ 18 Monate später. Als Trio gegründet, ist von der Urbesetzung heute nur noch Sängerin und Songwriterin Stella Sommer übrig. Zur Seite stehen ihr Schlagzeuger Philipp Wulf, der sonst bei Messer spielt, Keyboarderin Sonja Deffner sowie Bassistin Hanitra Wagner (Oracles).


ZUR MUSIK

Gleich ein Doppelalbum ist es geworden, das dritte Werk von Die Heiterkeit. „Pop & Tod I & II“ wurde wie schon der Vorgänger mit Moses Schneider aufgenommen, nach nur einer Woche waren die 20 Songs im Kasten. Ihren Sound entwickelt die Band darauf hörbar weiter: Weg vom Schrammelrock, hin zu etwas Größerem, Erhabenerem – mit sakral anmutenden Chorgesängen und Harmonien, Akustikgitarre, Klavier und Synthie-Streichern. Dazu singt Stella Sommer mit ihrer sonoren Stimme gewohnt unaufgeregt von Pop und Tod und schlechten Vibes im Universum. Einen „großen Wurf“ hat die Spex das Album genannt – zu Recht.


DIE HEITERKEIT live

Datum: 8. Februar 2017 Ort: Nochtspeicher

Einlass: 19.30 Uhr Beginn: 20.30 Uhr

Tickets: 16,10 Euro