Clubkombinat Hamburg e.V.

Im Club mit: Erobique

Der Name Erobique steht seit 1997 für meist tanzbare Musik. Welcher Song bringt dich immer auf die Tanzfläche?

Carsten „Erobique“ Meyer: Ein toller Disco-Song, zu dem ich sofort tanze, ist „I Gotta Keep Dancing“ von Carrie Lucas. „I gotta keep dancing to keep from breaking apart“, heißt es darin – das ist für mich die Essenz von Disco: Heulend auf dem Dancefloor zu hüpfen. Melancholie und Dramatik gepaart mit einem totalen Schub.

In dem Teaser-Video zu Andreas Doraus und Gereon Klugs musikalischer Dramödie „König der Möwen“ sah man dich kürzlich mit vollem Körpereinsatz tanzen. Schwingst du gerne das Tanzbein?

Richtig gerne. Tanzen ist eine der besten Sachen, die man zu Musik machen kann. Danach ist man auf jeden Fall glücklicher, als wenn man den ganzen Abend über irgendeinen Quatsch redet oder sich gegenseitig das Handy vors Gesicht hält. Früher war ich oft auf Soul- und Northern-Soul-Partys. Da ließ man sich nicht ablenken durch Gespräche, Alkohol oder sonst was, sondern tanzte einfach drei Stunden durch. Jetzt bin ich ein alter Mann und es fällt mir nicht mehr so einfach – ich war bei dem Videodreh ganz schön schnell aus der Puste!

Du bist vor 18 Jahren nach Hamburg gekommen. Kannst du dich an deinen ersten Club- oder Konzertbesuch erinnern?

Ich bin verwöhnt worden: 1998, noch bevor ich hier wohnte, bin ich das erste Mal im Pudel aufgetreten. Damit war die Messlatte komplett hochgesetzt. Ein Freund aus dem Münsterland war dort damals im Booking. So wurden dann auch Fischmob auf mich aufmerksam, die mich im gleichen Jahr als Support mit auf Tour nahmen. Einen besseren Hamburg-Einstieg hätte ich nicht haben können.

Mit welchen Hamburger Läden verbindest du die meisten Erinnerungen?

Definitiv mit dem Pudel. Der trifft für mich ziemlich genau die Idee, wie ich gerne ausgehe: Ein Wohnzimmer mit vielen freundlichen Leuten, in dem alles passieren kann und wo es keine Geschmacksgrenzen gibt. Der Pudel ist bis heute total inklusiv, jeder ist willkommen. Deswegen kommen da auch die unterschiedlichsten Leute. Einmal habe ich zwischen einem Typ im Anzug, der sich als Bänker aus Frankfurt vorstellte, und jemandem, der bis auf die Unterhose alles ausgezogen hatte, getanzt. Sowas geht nur in Läden wie dem Pudel.

Wo trifft man dich heute?

Ich gehe altersbedingt nicht mehr ganz so viel aus. Das Nachtasyl ist ein schöner Ort, an dem tolle Sachen passieren. Wenn auf Kampnagel ein Festival ist, gehe ich da gerne hin – und wenn ich dann mal ausgehe, lande ich meistens auch noch im Pudel.

Was macht einen guten Club aus?

Mal abgesehen von der Musik, die sich über Geschmack definiert, ist es glaube ich wirklich eine Art Inklusivität. Einen guten Club macht aus, dass man da gerne hingeht, egal wie alt man ist oder welche Klamotten man anhat. Er bringt Leute zusammen, die unterschiedlich sind, und er macht es möglich, Leute kennen zu lernen, ohne dass das nur über die Flirt- oder Saufschiene läuft. Obendrauf hat ein guter Club etwas Familiäres. Man merkt sofort, wenn die Leute, die an der Bar oder der Tür arbeiten, die das Programm machen und der Resident DJ eine Familie sind und gut miteinander umgehen.

Hat sich die Hamburger Clublandschaft in deinen Augen verändert?

Mir ist aufgefallen, dass in Hamburg immer weniger Raum für seltsame Orte jenseits der Gentrifizierung ist. Das Yoko Mono zum Beispiel war ein schrottiger Nachbarschaftsladen, in dem man sich zum Billardspielen, Musikhören und Trinken getroffen hat – heute ist da eine schicke Bar drin. Früher gab es auch die Mobile Bar, die haben sich einfach in einen Hinterhof gestellt und ein kleines Soundsystem aufgebaut. Diese besonderen Orte fallen immer mehr weg und das vermisse ich.

Mal angenommen du wärst Kultursenator, was würdest du ändern?

Ich würde, wenn es irgendwie in meiner Macht steht, dafür sorgen, dass es für junge Musiker und DJs, die Bock haben was zu machen, Räume gibt. Räume, die sie für wenig Geld mieten können und in denen sie sich ausprobieren können. Es war immer so, dass man Proberäume suchen musste, aber jetzt gerade wird es eng. Und wenn ich höre, dass sich bei dem Bunker in der Otzenstraße Leute beschweren, weil da um 18 Uhr Musik zu hören ist, sehe ich das mit Sorge. Diese Orte kann man den Leuten doch nicht wegnehmen. Das ist der Nährboden dafür, dass sich Kultur entwickeln kann.

Dein Studio, in dem all deine Musik entsteht, befindet sich im Karoviertel. Wie wichtig ist es für die Kreativität, mitten im Geschehen zu sein?

Das ist nicht unwichtig. Ich habe schon öfter überlegt, wie es wäre, wenn man aufs Land ziehen würde. Was ich habe, ist ein totaler Luxus. Besonders gut gefällt mir daran, dass die Türen immer offen sind. Jeder macht hier seinen Kram, aber man hat viel Bewegung und Austausch. Das tut sehr gut.

Mit den „Tatortreiniger Soundtracks“ hast du gerade eine Compilation deiner Musik für die gleichnamige TV-Serie veröffentlicht. Im Dezember und März trittst du damit im Schauspielhaus auf. Was erwartet die Besucher?

Ein hoffentlich sehr heterogener, musikalischer Abend. Ich werde alleine anfangen und auch erklären, was beim Filmmusikmachen passiert – natürlich auf unterhaltsame Art. Außerdem habe ich eine Menge Gäste und eine unfassbar tolle Live-Band, die die verschiedensten Instrumente spielen können. Zum Beispiel ein Daxophon. Das ist ein wirklich verrücktes Instrument. Wer wissen will, wie es klingt, muss schon vorbeikommen.

Bevor das soweit ist: Bei welchem Konzert würdest du im November gerne auf der Gästeliste stehen?

Beim Überjazz Festival Anfang November auf Kampnagel, weil dort die interessantesten Jazzer auftreten und zusammen musizieren. Das ist ein spannender Ort für alle Leute, die an dieser neuen Art von Jazz interessiert sind. Für Pfeifenraucher geeignet, aber auch für hippe Kids. Und dann gehe ich auf jeden Fall zu Roy Ayers am 6.11. im Knust. Das ist ein legendärer Jazz-Funk-Vibraphonist, von dem ich sehr viele Platten habe. Ich habe ihn vor 20 Jahren mal auf einem Jazz-Festival in Den Haag gesehen und da war die totale Party am Start.

Hast du noch ein letztes Wort an die Hamburger Clubgänger?

Haltet euch im Herzen warm, dann macht die Kälte draußen einen nicht so angreifbar.


ZUR PERSON
Carsten Meyer wurde 1972 im Münsterland geboren und fing im Alter von acht Jahren an, Klavier zu spielen. Seit 1997 tritt er unter dem Namen Erobique auf Partys und in Clubs auf. Drei Jahre später zog er nach Hamburg und gründete gemeinsam mit DJ Koze und Comic DJ das Elektro-Trio International Pony. Parallel dazu arbeitete Carsten Meyer an vielen deutschen Bühnen als Theaterkomponist und -musiker und machte Hörspielarbeiten, 2009 komponierte er seinen ersten Filmsoundtrack und die Musik für die Studio-Braun-Mockumentary „Fraktus“. Seit 2011 ist er außerdem für die Filmmusik zur preisgekrönten TV-Serie „Der Tatortreiniger“ verantwortlich.

ZUR MUSIK
Mit den „Tatortreiniger Soundtracks“ veröffentlicht Carsten „Erobique“ Meyer am 9. November eine Compilation seiner besten, für die gleichnamige TV-Serie entstandenen Musik – in einer von ihm selbst gestalteten Hülle und auf seinem eigenen Label Asexy. Die 20 Stücke sind so unterschiedlich, dass sie fast wie ein Mixtape daherkommen. Das Spektrum reicht von der flotten Erkennungsmelodie im Stile einer Sixties-Serie über Popjazz bis zum Dark-Italo-Discohit.

 CARSTEN „EROBIQUE“ MEYER live

Datum: 19. Dezember 2018 & 6. März 2019
Ort: Schauspielhaus

Beginn: 20.30 Uhr
Tickets: ab 9,00 Euro

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