Clubkombinat Hamburg e.V.

365 Tage Clubkultur in der Krise – Ein Rückblick

Waagenbau_Garderobe_by_Claudia_Mohr

Am 13. März 2021 ist es soweit: die Corona Krise beherrscht in Hamburg ein Jahr lang unser aller Leben. 365 Tage, die besonders für alle Kulturschaffenden und Künstler:innen eine schwere Zeit waren und sind. Das Clubkombinat Hamburg als Interessensgemeinschaft der Clubbetreiber:innen und Veranstalter:innen und Agenturen blickt zurück auf ein bewegtes Jahr.

Bereits im Vorfeld des traurigen Jahrestages der Clubschließungen werden vermehrt Anfragen an die Geschäftsstelle des Clubkombinats Hamburg gestellt. Was hat sich in den vergangenen zwölf Monaten im Clubkombinat bewegt und welche Meilensteine sind in den Clubs, der Szene der Livemusikveranstaltungen der Hansestadt besonders relevant? Geschäftsführer Thore Debor hat die wichtigsten Ereignisse zusammengetragen.

Wir blicken zurück

Ende Februar 2020: Die erste Mail mit dem Betreff „Corona“ erreichte das Clubkombinat. Der Schweizer Clubverband Petzi informiert über das Verbot von Veranstaltungen über 1.000 Teilnehmer:innen. Im Auszug der Mail vom 28.02.2020 ist zu lesen: „The Swiss government decided this morning to forbid all event above 1’000 attendees until march 15tt due to coronavirus.“
Bereits der Betreff: „Coronavirus, swiss government decision“ lässt erahnen, dass dies nur der Beginn weiterer Anordnungen sein wird. Das europaweite Netzwerk des Clubkombinats zahlt sich in den Anfängen der Krise aus. Durch tägliche News aus u.a. Italien und Spanien war man den Ereignissen in Deutschland ca. 14 Tage voraus.

März 2020 – Schließungen der Clubs & Homeoffice

12.03.20: Die ersten Clubs in Hamburg (wie z.B. das Gängeviertel) schlossen bereits freiwillig ihre Türen. Musikveranstaltungen wurden zum Wohle der Gesellschaft und deren Gesundheit abgesagt. Die Clubbetreiber:innen und Veranstalter:innen taten dies auf eigenes Risiko, ohne Versicherungsschutz oder Ausfallgagen und mit völlig unklaren Zukunftsaussichten.

13.03.20: Die Anfragen an das Clubkombinat zum erlaubten Vorgehen häufen sich. Die Behörde für Kultur und Medien informiert über die offizielle Schließung der Theater und Konzerthäuser. Für die kleineren Spielstädten mit einer Kapazität von unter 1.000 Besuchern wird vorerst nur eine Empfehlung der Schließung ausgesprochen. Die Unsicherheiten kumulieren sich weiter.

Stadt, Land, Bund – die Krise verbindet

Das Clubkombinat Hamburg gründet mit der finanziellen Zusage der Clubstiftung eine Taskforce. Hier sollen alle Anliegen zur Krise zentral gesammelt, bearbeitet und eine Spendenkampagne aus dem Boden gestampft werden. Das zentral gelegene Büro hinter der Reeperbahn wird geschlossen. Alle Ansprechpartner:innen arbeiten seit diesem Tag im Homeoffice. Krisenbedingt geht auch hier Vorsicht vor.

Auf Bundesebene formierte sich der LiveKomm Krisenstab. Unter Leitung des Geschäftsführers des Clubkombinat Hamburg, Thore Debor wird der bundesweite Austausch mit der Clubszene noch intensiver.

17.03.2020: Das Clubkombinat ist nach nur vier Tagen digital aufgestellt und arbeitsbereit. Mithilfe von MS-Teams findet die erste von vielen Versammlungen aller Mitglieder online statt. Mit über 100 Teilnehmer:innen, die sich gleichzeitig aus dem Homeoffice und Clubbüros einwählen, ist dies ein besonderer Augenblick der 16-jährigen Verbandsgeschichte. Aktuelle Informationen zur Lage und dem Vorgehen werden ausgetauscht, Fragen gesammelt und an zentrale Stellen weitergegeben. Trotz Krise und Clubschließungen kann das Clubkombinat Hamburg weiter für seine Mitglieder da sein.

Streaming & Spenden für die Clubs

Hinter den geschlossenen Clubtüren wird es still. Als Reaktion auf die Schließung aller Veranstaltungsstätten, startete United We Stream eine Reihe von Streaming-Konzerten von Djs aus den geschlossenen Clubs. Spenden, die während der Gigs gesammelt werden, kommen der Clubszene zugute. Gestartet in Berlin, ist Hamburg als zweite Stadt dabei.

Mit der Spendenaktion „S.O.S. – Save Our Sounds“ starten Clubstiftung und Clubkombinat einen Soli-Shop zur Unterstützung von Musikclubs. Durch einen Soli-Beitrag können Hamburger Hilfsorganisationen unterstützt werden.

April 2020 – Der Rettungsschirm für Clubs

Aufgrund der Förderstruktur des Live Concert Account, kann Hamburg als erstes Bundesland einen Club-Rettungsschirm aufspannen. Ab April konnten hier bei Liquiditätsengpässen Gelder für laufenden Fixkosten beantragt werden. Hinter den geschlossenen Clubtüren laufen Forderungen für Miete und Versicherungen etc. weiter. Etliche Existenzen der Clubs sind akut bedroht und zeigen die fragilen Strukturen der Branche auf.

Sommer 2020 leichte Besserungen

Juni 2020: Unter Einhaltung der Hygieneregeln waren die ersten Outdoor Veranstaltungen wieder erlaubt. Das Knust gehörte zu einem der ersten Clubs, die ab Juni offiziell zu Open Air Konzerten auf dem Lattenplatz einladen.

Juli & August 1,5 Millionen Euro Outdoor-Förderung

Die Behörde für Kultur und Medien ermöglicht kurzfristig im letzten Drittel des Sommers eine Outdoor-Förderung. Mit 1,5 Millionen Euro können ungefähr 30 Förderanträge für Kultur-Veranstaltungen unter freiem Himmel unterstützt werden. Der Fokus liegt nicht auf dem wirtschaftlichen Gewinnstreben, sondern auf den Erhalt des Ökosystems der Musikwirtschaft: Künstler:innen, Techniker:innen, Security, etc. sollen wieder Aufträge erhalten.

Die Einhaltung der Vorgaben der Hygienemaßnahmen forderte Kreativität, Professionalität und ein gemeinsames Miteinander. Nicht jede Veranstaltungsfläche kann direkt wieder bespielt werden. Teilweise werden neue geschaffen. Neben dem Molotow Backyard öffnet u.a. das Schrödingers. Auch die Hebebühne legt mit dem Vogelnest u.a. seine Konzerte in den Hof. Mit kurzfristiger Hilfe der Behörden kann in Planten & Bloomen das Draußen im Grünen-Festival starten und auch das Cruise Inn wird zur Anlaufstelle für Livemusikfans im Hafengebiet.

Herbst 2020 – Musik drinnen & draußen

Ab September 2020 sind gemäß der Eindämmungsverordnung auch drinnen wieder Veranstaltungen erlaubt. Einige Mitglieder, wie der Cotton Club, der Nochtspeicher und das Molotow bauten ihre Clubs und deren Konzepte pandemie-gerecht um. Besucher:innen des Reeperbahn Festivals in der Corona Edition haben auch dort die Chance Konzerte auf diversen Musikbühne live im Club zu erleben.

Enger Austausch mit Politik & Kulturschaffenden

Die Lockerungen lassen Hoffnung aufkommen, doch eine Rückkehr zum Normalbetrieb ist weiterhin nicht in Sicht. Im August und September 2020 finden parallel Treffen mit dem Ersten Bürgermeister und der Veranstaltungswirtschaft statt. Das Clubkombinat Hamburg trägt als politisches Willens- und Sprachrohr die Forderungen der Mitglieder direkt ins Rathaus.

Die Jahresmitgliederversammlung Anfang September im Molotow Backyard bringt mit den turnusgemäßen Vorstandswahlen einen Generationswechsel. Der neue gewählte Vorstand ist sich seiner besonderen Rolle in dieser Krise bewusst und nimmt die Verantwortung an, in den schweren Zeiten für die Mitglieder zu wirken. Zahlreiche Arbeitsgruppen werden gebildet und die Vorstandsarbeit nimmt schnell wieder an Fahrt auf.

Es ist immer wieder unglaublich, mit welchen ehrenamtlichen Engagement sich die Vorstände der Vorstandsarbeit widmen und sich im Kollektiv für die Belange der Clubs einsetzen. Diese Energie hält das Netzwerk zusammen und gibt Hoffnung, die schwerste Krise dieser Branche zu überstehen,“ kommentiert Thore Debor.

Jahresende  2. Lockdown

Der zweite Lockdown im November 2020 war für viele Clubs keine Überraschung. Einige Veranstaltungsstätten waren unverändert seit 9 Monaten im Dauerschließungsmodus. Anlässlich dieser Pandemie-Zwischenstufe äußert sich der Vorstand in einem Statement zu der Corona-Debatte.

Um auch über die Forderungen der eigenen Mitglieder hinaus einen engen Austausch zu ermöglichen, engagiert sich das Clubkombinat verstärkt im neu formierten Forum Kultur- und Kreativwirtschaft Hamburg. Seit November treffen sich Betreiber:innen von Musikclubs, Theatern, Open-Air-Veranstalter:innen, sowie Schaustellern und Public Events regelmäßig online und vernetzen sich zu den gemeinsamen Themen. Eine Fortführung des Dialogs mit dem Senat Hamburg wird als zwingend notwendig erachtet, um das kulturelle Leben nach der Krise wieder aufzunehmen.

Veränderung durch die Krise

Bis Jahresende 2020 organisierte das Clubkombinat für die Club Academy der Clubstiftung annähernd 20 Fort- und Weiterbildungsangebote u.a. für Mental Health via MiM-Verband, Streaming-Angebote oder digitales Veranstaltungsmanagement.

Neben individuellen Beratungen und Hilfsstellungen wurde fortlaufend über diversen Hilfs- und Förderprogramme, sowie deren Anpassungen informiert. Stand März 2021 sind der öffentliche Live-Ticker und die monatlichen virtuellen Mitglieder-Treffen eine der wichtigsten Anlaufstellen, um in der Förderbürokratie den nötigen Überblick zu behalten und sich auszutauschen.

Seit im Sommer der Akut-Krisenmodus etwas abgeebbt ist, versucht das Clubkombinat die bisherigen Tätigkeitsschwerpunkte wieder aufzunehmen. Wir kämpfen verstärkt für die Anerkennung von Clubs als Kulturorte, anstatt als Vergnügungsstätten und Freizeiteinrichtungen. Hierfür wurde auf Bundesebene die Plattform und Allianz ClubsAREculture gegründet, die erstmals anlässlich des Open Club Day 2021 im Februar 2021 in Erscheinung trat. Im Hamburger Politik Talk erfolgte ein Ausblick in die Zukunft. Ein wichtiger Meilenstein zur Anpassung der Gesetzeslage steht aktuell kurz bevor.

Ausblick

Wir hoffen weiterhin auf baldige (Wieder-)Öffnungen der Clubs und eine Rückkehr zum Normalzustand. Eine Prognose wagt niemand auszusprechen. Zahlreiche Clubs senden dank Streaming Formaten Bild- und Ton-Signale des Fortbestandes. Doch es gibt auch Opfer der Pandemie zu beklagen: Landgang, Kulturwerkstadt Hamburg, Mobile Blues Club und Tisch und Stuhl mussten den Betrieb einstellen.

Klar ist für uns: Der Gesundheitsschutz für die Bevölkerung steht für uns alle an oberster Stelle. Der Umgang mit der Kulturbranche seitens den Behörden ist optimierungsfähig. Hier herrscht oberste Alarmstufe und akuter Handlungsbedarf für mehr Austausch.

Fazit

Mit einem dankbaren Blick schauen wir dennoch nach vorne. Die Krise hat u.a. gezeigt, dass nicht nur die Mitglieder im Clubkombinat Hamburg gemeinsam durch schwere Zeiten gehen und sich immer wieder gegenseitig geholfen wird, wenn die Not groß ist. Ein Dank geht an das Land Hamburg: Der Club-Rettungsschirm fängt vieles auf, was etliche Betreiber:innen nicht alleine bewerkstelligen können.

Es zeichnet sich ab, dass die Clubs die Letzten sein werden, die den Normalbetrieb wieder aufnehmen dürfen. Wenn sich die Türen dann wieder öffnen, wird jedoch alles anders sein: Künstler:innen, Personal und Dienstleister sind arg gebeutelt.

Wir können aber bereits verkünden: Hinter den geschlossenen Clubtüren und im Clubkombinat ist es nicht still. Wir sind weiterhin für alle da und nutzen die Zeit, um uns für das große Comeback vorzubereiten. Wir stricken im Hintergrund an spannenden Zukunftsprojekten: Stay tuned & bleibt stabil!

Fotocredit: Titel „Discokugel im Waagenbau“ by Claudia Mohr; „Trompeter im Cruise Inn“ by Uebel & Gefährlich

Ein Kommentar zu “365 Tage Clubkultur in der Krise – Ein Rückblick

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